In der Elektrophysiologie geht es um das Studium der elektrischen Eigenschaften und der Aktivität biologischer Systeme, insbesondere erregbarer Zellen, wie Neuronen und Muskelzellen, durch Messung, Aufzeichnung und Analyse der von diesen Zellen erzeugten elektrischen Signale, um letztlich Erkenntnisse über ihre Funktion und Kommunikation zu gewinnen.
In diesem Blogartikel werfen wir einen genaueren Blick auf die Elektrophysiologie, ihre Entstehungsgeschichte, zukünftige Verwendungszwecke und den Einsatz in experimentellen Techniken in verschiedenen Bereichen.
Entstehungsgeschichte der Elektrophysiologie
Das Feld der Elektrophysiologie beruht auf einer langen Geschichte, die bis ins 18. und 19. Jahrhundert zurückreicht. Die frühesten Anfänge waren durch wichtige Entdeckungen zum Verständnis der elektrischen Eigenschaften lebender Organismen gekennzeichnet.
Eines der wohl bahnbrechendsten Experimente wurde Ende des 18. Jahrhunderts von dem italienischen Arzt Luigi Galvani durchgeführt. In diesem Experiment beobachtete Galvani, dass sich die Muskeln eines Froschs zusammenzogen, wenn sie mit einem Metallinstrument berührt wurden, während sie mit einem anderen Metallgegenstand in Kontakt waren.2
Er bezeichnete dies als „animalische Elektrizität“ und legte damit den Grundstein für das allgemeine und tiefere Verständnis bioelektrischer Phänomene und elektrischer Eigenschaften lebender Organismen und der Möglichkeiten ihrer Erforschung, auf dem die moderne Forschung auf diesem Gebiet aufbaut.
In den Jahren danach bis ins 21ste Jahrhundert hinein wurden bei vielen Experimenten große Bereiche aufgezeichnet, da es zunächst schwierig war, nur eine einzelne Zelle zu lokalisieren. Mit Mikroskopen und entsprechenden Fortschritten im optischen Design wie dem Infrarot-Differential-Interferenzkontrast (IR-DIC) wurde jedoch der Blick tiefer in lebendes Gewebe möglich.
In Kombination mit einer Hochgeschwindigkeitskamera gestattete diese Mikroskopkonfiguration die Beobachtung der internen Zelldynamik in Echtzeit mit Methoden wie der Kalzium-Bildgebung. Heute ermöglichen Weiterentwicklungen wie das aufrechte Mikroskop mit fixiertem Tisch für die Elektrophysiologie und erweiterte Bildgebungslösungen wie konfokale Laser-Scanning-Mikroskope und Multiphotonen-Mikroskope neue Wege in der Elektrophysiologie und bringen die Forschung voran.
Koronaler Schnitt durch das Gehirn einer Maus aus dem H-Stamm, cyan; DAPI (Zellkerne), grün; YFP (Neuron), gelb; Cy3-Astrozyten, magenta; AlexaFluor 750 (Mikrotubuli). Es wurden insgesamt 77 Vierkanal-XYZ-Positionen (11 × 7) mit einem 1K-Resonanzscanner innerhalb von 16 Minuten aufgenommen, um das zusammengesetzte Bild zu erstellen. Mit einem Galvanometerscanner werden dafür sonst 2 Stunden benötigt. Bildquelle: Takako Kogure and Atsushi Miyawaki, Laboratory for Cell Function Dynamics, RIKEN CBS.
Anwendungsgebiete der Elektrophysiologie
In der heutigen Forschungslandschaft ist die Elektrophysiologie in vielen Bereichen zu finden, zum Beispiel in der Kardiologie, den Neurowissenschaften und vielen anderen. In der Kardiologie stellt das Elektrokardiogramm (EKG) die häufigste Anwendung der Elektrophysiologie dar.
Ein EKG ist ein elektrophysiologisches diagnostisches Gerät, das die elektrische Aktivität des Herzens misst und aufzeichnet. Auf der Haut angebrachte Elektroden erfassen die von den Herzzellen erzeugten elektrischen Signale. Das EKG liefert wertvolle Informationen über den Rhythmus, die Frequenz und die gesamten elektrischen Funktionen des Herzens und ist somit ein wichtiges Gerät bei der Diagnose und Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen.
In den Neurowissenschaften wird die Elektrophysiologie häufig zur Untersuchung der elektrischen Eigenschaften von Neuronen verwendet, zum Beispiel der Art und Weise, wie sie elektrische Signale erzeugen und weiterleiten.
Es gibt zwei Hauptanwendungen im Bereich der Elektrophysiologie mittels Patch-Clamp-Technik: intrazellulär und extrazellulär. Bei der intrazellulären Elektrophysiologie wird das elektrische Potenzial über die Membran einer einzelnen Zelle gemessen. Dies liefert detaillierte Informationen über das Membranpotenzial der Zelle und alle Veränderungen, die bei zellulären Aktivitäten (z. B. Aktionspotenzialen) auftreten.
Das Membranpotenzial ist eine intrinsische Eigenschaft aller Zellen und resultiert aus der Differenz zwischen der negativen oder positiven Ladung auf beiden Seiten der Zellmembran.1 Ein Aktionspotential ist eine kurze, aber starke elektrische Depolarisation und Repolarisation der neuronalen Plasmamembran durch den Austausch positiv geladener Ionen.1
Zur Untersuchung der elektrischen Aktivität einzelner Zellen, insbesondere von Neuronen, wird häufig die Patch-Clamp-Technik verwendet. Dabei wird eine Glasmikropipettenelektrode an die Zellmembran gehalten, um eine Abdichtung zu erzeugen, die eine hochpräzise Messung von Membranpotenzial-Änderungen ermöglicht. Patch-Clamping kann in ganzen Zellen, an Zellen gebunden, von innen nach außen oder von außen nach außen durchgeführt werden, je nach Versuchszweck.
Konfigurationen der Patch-Clamp-Technik. (A) An die Zelle gebunden: ermöglicht die Messung des Stroms eines einzelnen Kanals. (B) Ganze Zelle: ermöglicht die Messung des Stroms einer ganzen Zelle. (C) Von innen nach außen: ermöglicht die Messung des Stroms über ein kleines Areal („Patch“), dessen zytosolische Seite nach außen zeigt. (D) Von außen nach außen: ermöglicht die Messung des Stroms über ein kleines Areal („Patch“), dessen extrazelluläre Seite nach außen zeigt. Bildquelle: Ahmadi, Shirin et al. 2023 (Frontiers).3
Die Voltage-Clamp-Aufzeichnung ist eine Methode zur Messung und Kontrolle des Membranpotenzials einer Zelle bei gleichzeitiger Messung des durch die Zellmembran fließenden Ionenstroms.2 Mit dieser Technik können die Eigenschaften von Ionenkanälen und Rezeptoren untersucht werden, um letztlich mehr über den Mechanismus zu erfahren, der ein Aktionspotenzial verursacht.
Bei der Aufzeichnung mit Spannungsklemmen wird Strom in eine Zelle hinein geleitet, während Änderungen im Membranpotential gemessen werden. Mit dieser Technik werden die intrinsischen elektrischen Eigenschaften von Neuronen untersucht, wie z. B. das Ruhemembranpotenzial und die Aktivierungsmuster von Aktionspotenzialen.
Bei der extrazellulären Elektrophysiologie hingegen wird die elektrische Aktivität mehrerer Zellen oder eines größeren Areals gemessen. Dieser Ansatz wird häufig verwendet, um die Gesamtaktivität und Interaktion von Neuronennetzen zu untersuchen. Multi-Elektroden-Arrays (MEAs) ermöglichen die gleichzeitige Aufzeichnung an mehreren Stellen und geben so Einblick in die Aktivität auf Netzebene.
Der Unterschied zwischen intrazellulärer und extrazellulärer Elektrophysiologie liegt also insgesamt in der Position der Aufzeichnungselektrode im Verhältnis zur Zellmembran. Intrazelluläre Aufzeichnungen liefern Informationen über die elektrischen Eigenschaften einzelner Zellen, während extrazelluläre Aufzeichnungen Informationen über die kollektive Aktivität einer Gruppe von Zellen erfassen. Beide Techniken sind für das Verständnis der Funktion biologischer Systeme sehr wertvoll.
Zukünftige Verwendungszwecke der Elektrophysiologie
Auch in der Zukunft werden sich auf der Grundlage kontinuierlicher Fortschritte in Technologie und Methodik interessante Einsatzmöglichkeiten der Elektrophysiologie ergeben. Mit zunehmender Komplexität elektrophysiologischer Datensätze sind bereits heute Fortschritte bei der Datenanalyse und der computergestützten Modellierung erkennbar. Bei der aussagekräftigen Analyse großer Datensätze werden Tools für maschinelles Lernen voraussichtlich eine zentrale Rolle spielen. Die Entwicklung von miniaturisierten und drahtlosen Geräten hat bereits begonnen und wird auch in Zukunft eine minimal-invasive Überwachung der elektrischen Aktivität im Körper ermöglichen.
Die Optogenetik ist ein Beispiel für eine Cutting-Edge-Technologie auf der Grundlage von Mikroskopie und Optik, um die Aktivität bestimmter Zellen, in der Regel Neuronen, mit Licht zu steuern. Bei dieser Methode werden Neuronen genetisch modifiziert, um lichtempfindliche Proteinkanäle zu erzeugen. Bei Expression lässt sich die Ionenkonzentration durch Bestrahlung eines bestimmten Bereichs der Zelle lokal verändern, und die Auswirkungen können in Echtzeit unter dem Mikroskop beobachtet werden.1
Dieser Einblick in die Aktivität der Zelle eröffnet Möglichkeiten für die Untersuchung von neuronalen Schaltkreisen, Hirnfunktionen und neurologischen Erkrankungen sowie für die Entwicklung therapeutischer Maßnahmen.4 Insgesamt wird die Elektrophysiologie auch in Zukunft vielversprechende Einsatzmöglichkeiten bieten, wenn es darum geht, unser Verständnis biologischer Systeme zu verbessern und Krankheiten zu diagnostizieren und zu behandeln.
Beispiel einer 3D-Stimulationsreaktionskarte zum Messen der elektrophysiologischen Reaktion. Um eine sehr gezielte Laserlichtstimulation zu erreichen, wird das Beobachtungsfeld in ein Raster unterteilt, und der Laser beleuchtet jeden Bereich in einer pseudozufälligen Abfolge, sodass eine sequentielle Stimulation benachbarter Bereiche vermieden wird. Auf der Grundlage der Patch-Clamp-Messung oder der Bildgebungsintensität wird eine Stimulationsreaktionskarte erstellt. Durch die Integration eines optionalen Piezo-Objektivrevolvers wird die Reaktionskarte auf eine 3D-Darstellung erweitert, wobei die Stimulation in Tiefen erfolgt, die von der Bildebene abweichen. Bildquelle: Haruo Kasai Center for Disease Biology and Integrative Medicine, Faculty of Medicine, Universität Tokio. Aufgenommen mit einem FLUOVIEW Laser-Scanning-Mikroskop.
Zusammenfassende Darstellung der Elektrophysiologie
Die Elektrophysiologie ist von grundlegender Bedeutung, wenn es darum geht, lebende Organismen und ihre Funktionsweise zu verstehen, insbesondere in den Neurowissenschaften und in der Kardiologie. Indem sie dabei hilft, die Geheimnisse der elektrischen Aktivität der Zelle zu enträtseln, erhalten Wissenschaftler Einblicke in die grundlegenden Mechanismen der neuronalen Kommunikation, der Muskelkontraktion und vielen anderen physiologischen Prozessen.
Von den ersten bahnbrechenden Experimenten, wie etwa von Galvani, bis hin zu den modernen Spitzentechnologien von heute hat die Elektrophysiologie durch Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachgebieten und das Streben nach Wissen bemerkenswerte Innovationen ermöglicht In der Zukunft werden weitere Untersuchungen noch tiefere Einblicke in die elektrischen Vorgänge bieten, die den menschlichen Körper antreiben.
Literaturangaben
- Hardin, Jeff et al. Becker’s World of the Cell, 9th Global Edition. Pearson, 2016.
- Molleman, Areles. Patch Clamping: An Introductory Guide to Patch Clamp Electrophysiology. John Wiley Sons, 2008.
- Ahmadi, Shirin et al. „From Squid Giant Axon to Automated Patch-Clamp: Electrophysiology in Venom and Antivenom Research.“ Frontiers, 2023.
- Häusser, Michael. „Optogenetics - The Might of Light.“ New England Journal of Medicine, 2021.
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