Wollten Sie schon immer wissen, wie ein Nachtfalter unter dem Mikroskop aussieht? Dann schauen Sie sich das Bild an, das unseren Global Image of the Year 2022 Wettbewerb in der Region Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA) gewonnen hat. Javier Ruperez aus Spanien ließ Kunst und Wissenschaft auf wunderbare Weise verschmelzen, als er die Flügelschuppen von einem Nachtfalter aufnahm, der einem Schmetterling sehr ähnlich ist. Wir sprachen mit Javier, um mehr über sein Gewinnerbild zu erfahren und darüber, wie er mit Hilfe der Lichtmikroskopie kleine Meisterwerke der Natur enthüllt.
Frage: Was ist auf Ihrem Gewinnerbild zu sehen?
Javier Ruperez: Das Bild zeigt eine mikroskopische Aufnahme von Flügelschuppen des Nachtfalters Urania rhipheus (Chrysiridia rhipheus), der auch als Madagaskar-Sonnenuntergangs-Motte oder Regenbogenfalter bekannt ist. Dabei handelt es sich um einen sehr interessanten tagfliegenden Nachtfalter. Anders als bei den meisten Schmetterlingen stammt die Flügelfärbung nicht von Farbpigmenten, sondern wird durch Brechung des Lichtes an besonders geformten Schuppen verursacht.
Das Image of the Year 2022 Gewinnerbild der Region EMEA zeigt die Schuppen des Flügels des Nachtfalters Urania rhipheus. Aufgenommen bei 20X Vergrößerung von Javier Ruperez.
Frage: Was interessiert Sie an der Aufnahme und der Thematik am meisten?
Javier Ruperez: Das Interessanteste an diesem Bild ist der Blick aus der Nähe auf die Farben in den Schuppen der Falterflügel. Sie enthalten keine Farbpigmente, sondern entstehen durch Lichtreflexion an den Flügeln.
Die Farben entstehen durch das Zusammenspiel zweier optischer Phänomene, die durch die Struktur der Schuppen und ihre Form bedingt sind. Jede Schuppe besteht aus abwechselnden Schichten aus Chitin und Luft, die das Licht brechen. Die Chitinschichten werden von Blöcken zusammengehalten, die einen Zwischenraum zwischen ihnen bilden. Diese luftgefüllten Schichten und die Abstände dazwischen sind dünner als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts. Diese Struktur reflektiert bestimmte Wellenlängen des Lichts abhängig von der Anzahl der Schichten, ihrer Dicke und dem Einfallswinkel des Lichts. Die Schuppen sind außerdem stark gekrümmt, was zu einem Phänomen der Reflexion zwischen ihnen führt.
Wenn also Licht auf eine Schuppe trifft, wird es in einem Winkel von etwa 90 Grad reflektiert und trifft auf die nächste Schuppe, von dort aus dann wiederum auf die nächste Schuppe und so weiter den gesamten Flügel entlang. Da der Winkel jeder Reflexion stark vom normalen Einfallswinkel abweicht, bewirkt der Interferenzeffekt die Reflexion verschiedener Farben, die sichtbar werden, wenn das Licht auf den oberen gekrümmten Teil der Schuppen trifft und nach außen zurückgeworfen wird. Aus diesem Grund wird dieses Phänomen häufig von der optischen Wissenschaft untersucht. Zudem findet es zahlreiche Anwendungen im Alltag.
Frage: Wie haben Sie dieses Bild aufgenommen?
Javier Ruperez: Ich habe das Bild in meinem Heimstudio mit einer von mir selbst zusammengestellten Ausrüstung aufgenommen. Dazu habe eine Spiegelreflexkamera mit einem Faltenbalg verbunden. Mit verschiedenen Adaptern habe ich die Ausrüstung an ein Olympus LMPlanFl 20X 0,40 BD-Objektiv angeschlossen und eine Makro-Konversionslinse hinzugefügt, die als Zwischentubuslinse fungiert, da das Mikroskopobjektiv auf unendlich korrigiert ist.
Für die Aufnahme des Bildes habe ich die Focus Stacking-Technik mit einer hochpräzisen elektronischen Verschiebeschiene verwendet. Insgesamt habe ich 215 Bilder mit einem Abstand von 3,59 Mikrometern zwischen den einzelnen Bildern aufgenommen. Dann habe ich alle Bilder mit Hilfe einer speziellen Software zu einem einzigen, vollständig fokussierten Bild zusammengefügt, wobei ich die aufgrund der hohen Vergrößerung (20X) fast nicht vorhandene Schärfentiefe beibehielt.
Frage: Mit welchen Herausforderungen waren Sie bei der Aufnahme dieses Bildes konfrontiert?
Javier Ruperez: Die größte Herausforderung bestand darin, die Beleuchtung so weit zu streuen, dass Teile des von den Schuppen reflektierten irisierenden Lichts im Gegensatz zu den dunkleren Teilen nicht verbrannt wurden, was eine Herausforderung für die zum Zusammenfügen der Bilder verwendete Stacking-Software darstellt. Aber mit Geduld und meiner Erfahrung mit den verschiedenen selbstgebauten Diffusoren habe ich eine korrekte Streuung des reflektierten externen LED-Lichts erreicht.
Frage: Warum haben Sie dieses Bild als Beitrag für den Image of the Year Wettbewerb ausgewählt?
Javier Ruperez: Das Bild ist nicht nur wegen seiner visuellen Wirkung interessant, sondern auch wegen der auffälligen Farben in den Strukturen der Flügel dieses Falters. Neben seinem künstlerischen Wert leistet es auch einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag – ganz im Sinne des Image of the Year Wettbewerbs. Es kann Menschen auf der ganzen Welt dazu ermutigen, diese Art von Bildern auf eine neue Art zu betrachten und die Schönheit der Natur zu schätzen, die dem bloßen Auge verborgen bleibt.
Frage: Wollen Sie mit diesem Bild eine bestimmte Botschaft vermitteln?
Javier Ruperez: Ich fotografiere seit einiger Zeit die Flügelschuppen vieler verschiedener Schmetterlinge und Nachtfalter auf der ganzen Welt und entdecke dabei eine faszinierende Welt. Schmetterlinge (Lepidoptera) sind Boten vergänglicher Schönheit; ihre Flügel erinnern uns daran, dass auch ein flüchtiger Moment wunderschön sein kann.
Die Schuppen ihrer Flügel sind nicht nur ein wesentlicher Bestandteil ihrer Ästhetik, sondern spielen auch eine Rolle für ihr Verhalten. Einige Schmetterlinge nutzen Schuppenmuster, um sich in ihrer Umgebung zu tarnen. Andere entwickeln leuchtende, kräftige Farben als Warnzeichen für potenzielle Fressfeinde. Sie sind kleine Meisterwerke der Natur, jedes einzigartig und Teil der wunderbaren Vielfalt und Anpassung dieser Lebewesen. Ihre Vielfalt und Komplexität bringen uns die Schönheit und Biologie der Schmetterlinge näher.
Frage: Wo und wann haben Sie zum ersten Mal mit einem Mikroskop gearbeitet?
Javier Ruperez: Ich habe zwar keine wissenschaftliche Ausbildung, bin jedoch ein fortgeschrittener Amateur in der Verwendung von Mikroskopobjektiven für die Mikrofotografie mit angepassten externen Komponenten. Seit etwa 10 Jahren beschäftige ich mich mit dieser Art der Fotografie. Ich erforsche gerne das, was ich fotografiere – vor allem die Welt der Insekten. Das ist die Art von Fotografie, die mich fasziniert.
Zur Visualisierung der Objekte verwende ein einfaches binokulares Mikroskop. Die fotografische Arbeit erfolgt dann mit Mikroskopobjektiven unterschiedlicher Vergrößerung, die ich selbst an meine Fotoausrüstung anpasse. Ich habe verschiedene Objektive von unterschiedlichen Marken.
Für die 2X Vergrößerung kann ich die Olympus LMPlanFl 20X 0,40 BD-Modelle oder das Olympus MPlanFL N 20X 0,45 verwenden. Beide haben eine hervorragende optische Qualität aufgrund des verwendeten optischen Glases mit Fluorelementen. Die optischen Korrekturen korrigieren perfekt eventuell vorhandene chromatische Aberrationen, was für meine Arbeit äußerst wichtig ist. Mit einem dieser beiden Objektive habe ich das Gewinnerfoto des Wettbewerbs gemacht, das die optischen Qualitäten dieses Objektivs unter Beweis stellt.
Nahaufnahme eines Cicindela aurulenta, auch bekannt als Blaugepunkteter Tigerkäfer. Bildquelle: Javier Ruperez.
Frage: Was hat Sie dazu inspiriert, die Mikroskopie für künstlerische Zwecke zu verwenden?
Javier Ruperez: Ich hatte mich schon vorher mit konventioneller Makrofotografie beschäftigt. Dank der Arbeit anderer Fotografen erkannte ich die Möglichkeiten, die Mikroskopobjektive bieten, wenn sie mit modernen Digitalkameras kombiniert werden. Damit können wir in andere Welten eintauchen, die vor unseren Augen liegen – mit einer Präzision, die mit dem bisher Gesehenen nicht zu vergleichen ist. Jetzt habe ich Zugang zu dieser verborgenen Welt voller Formen und Farben und kann Lebewesen aus nächster Nähe betrachten. Manchmal scheint es dann, als kämen sie von einem anderen Planeten.
Frage: Was fasziniert Sie an der Mikroskopie am meisten?
Javier Ruperez: Die Möglichkeit, Einblick in unbekannte Welten zu erhalten, die aber tatsächlich Teil unserer Umgebung sind. Etwas scheinbar Alltägliches kann durch ein Mikroskop betrachtet von atemberaubender Schönheit sein.
Die Fotografie mit Mikroskopobjektiven weckt in mir eine einzigartige und erstaunliche Faszination. Durch die Objektive verwandelt sich die Welt in eine Bühne der verborgenen Wunder und offenbart Details und Texturen, die sich das menschliche Auge kaum vorstellen kann. Jedes Bild ist ein Fenster in ein winziges, aber unendlich komplexes Universum, in dem sich die Struktur alltäglicher Wesen in einem Reigen überraschender Formen und Farben entfaltet, die meine Kamera einfangen kann. Für mich sind das unerforschte Welten, die mich jeden Tag daran erinnern, wie schön und beeindruckend selbst die kleinsten Dinge sein können.
Frage: Spielt Bildgebung eine Rolle in Ihrem Beruf? Oder ist das eher ein Hobby, eine Kunstform, eine Leidenschaft für Sie?
Javier Ruperez: Beruflich bin ich Verwaltungsbeamter, was wenig mit meiner Leidenschaft für die Fotografie zu tun hat. Meine Begeisterung für die Mikrofotografie ist also eher ein Hobby. Da ich jeden Tag viele Stunden damit verbringe, würde ich es sogar als Leidenschaft bezeichnen.
Frage: Woran arbeiten Sie derzeit künstlerisch?
Javier Ruperez: Jeden Tag fotografiere ich Insekten und Spinnentiere, was mir den Einstieg in die spannende Welt der Entomologie ermöglicht hat. Meine Fotos werden in vielen Medien auf der ganzen Welt veröffentlicht, worüber ich mich sehr freue. Im Moment bereite ich in Spanien eine Ausstellung über meine Arbeit vor. Ich hoffe, dass sie ein Erfolg wird und in Zukunft auch in anderen Teilen der Welt zu sehen sein wird.
Frage: Gibt es noch etwas, das Sie uns erzählen möchten?
Javier Ruperez: Meine fotografischen Arbeiten über die Welt der Insekten könnten für Naturliebhaber interessant sein. Ich zeige sie auf javier-ruperez.com und bei Instagram auf @quenoteam.
Wie geht es mit dem Image of the Year weiter
Unser nächster Global Image of the Year Wettbewerb steht vor der Tür, also bleiben Sie dran, um mehr zu erfahren! Bis dahin können Sie in unseren Interviews mit den Gewinnern der Region Amerika und der Kategorie Materialforschung weitere Gewinnerbilder entdecken.
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